Rücksicht und Kompromisse

Das WG-Leben kann Fluch und Segen zugleich sein. Denn so schön es auch ist, dass immer jemand da ist und du nie alleine essen musst oder spontan jemanden verpflichten kannst, dir dabei zu helfen, deine neuen Möbel in den sechsten Stock zu tragen - manchmal willst du vermutlich auch einfach deine Ruhe haben und deine wertvollen Eigentümer nicht mit anderen teilen. Schlimmer wird das alles, wenn deine geliebten WG-Mitglieder ausziehen und an ihrer Stelle neue Personen auftauchen, die keine Hemmungen haben, deinen Lady-Shaver zum Trimmen ihres Vollbarts zu benutzen.

Gegenseitige Rücksicht, ein gewisses Mass an Anstand, die grundsätzliche Bereitschaft bestimmte Dinge nach vereinbarten Regeln mit anderen zu teilen und das Einhalten gemeinsam fixierter Grenzen sind die Grundvoraussetzungen und gleichzeitig die wichtigste Voraussetzung für das Funktionieren einer Wohngemeinschaft.

Good to know: Was du in einer WG fürs Leben lernst?

Studierende bestimmter Studienrichtungen und ganz besonders "Nerds" sind keine guten Mitbewohner. Hast du Lust auf ausgeweidete Froschleichen im Einmachglas im Kühlschrank? Liebst du Musik, auch wenn sie von einem Schlagzeug-Lehrling erzeugt wird? Kriegst du dein Essen noch runter, wenn am Tisch über den letzten Sezierpraxiskurs gesprochen wird? Nein? Darum prüfe, wer sich binde, Rücksicht hin oder her.

Manches davon wird für die meisten von euch klar und selbstverständlich sein, wie z.B. dass ihr in der Nacht vor der Klausur eines Mitbewohners bzw. einer Mitbewohnerin nicht durch laute Musik sie oder ihn vom Lernen bzw. Schlafen abhaltet. Ein bisschen weniger offensichtlich kann sein, wenn sich eure Mitbewohner/innen mal zurückziehen und für sich sein wollen, weil sie einen miesen Tag hatten, währenddem ihr gerade einen Filmabend veranstaltet - das Gespür für solche Situationen müsst ihr erst noch entwickeln und voneinander lernen1.

Fun Fact: Dinge, die es in jeder WG gibt...

... die WG-Couch, die eindeutig schon zu viel gesehen hat und deren Lebens- sowie Leidensgeschichte du zwar in einer WG akzeptieren kannst, auf der du aber deine eigenen Kinder niemals nie mit ruhigem Gewissen sitzen und spielen lassen würdest.


  1. Haben wir aus deiner Sicht einen wichtigen Tipp vergessen? Dann lass es uns wissen!

In einer WG zu leben bedeutet, Kompromisse einzugehen, damit jeder zufrieden ist. Wenn mehrere Personen zusammenleben, dann wird es fast zwangsläufig auch zu Situationen kommen, in denen die Mehrheit der Mitbewohner/innen eine Entscheidung trifft, mit der du nicht einverstanden bist. Das wirst du hinnehmen müssen, denn eine WG ist eine «Mini-Demokratie», in der alle miteinander kooperieren müssen, um den WG-Frieden zu wahren. Wenn du mit einer Situation unzufrieden bist, dann solltest du das Problem offen und ehrlich ansprechen und alle Mitbewohner/innen in die Diskussion miteinbeziehen.

Grundsätzlich empfehlen wir euch, dass ihr alle gemeinsam und wenn möglich noch vor dem Einzug in die WG über folgende Aspekte des Zusammenlebens in einer WG sprecht, welche die Rücksichtnahme, den Anstand, das Teilen und die Grenzen der Privatsphäre betreffen:

  • Sprecht gemeinsam darüber, ob und in welchen Situationen das Betreten der privaten Zimmer der Mitbewohner/innen gestattet sein soll, dass man dabei stets anklopfen sollte und wann ihr auf keinen Fall gestört werden wollt.
  • Definiert gemeinsam, ob und ab wann es eine gewisse Nachtruhe geben soll. Zeigt insbesondere während der Prüfungszeit Rücksicht und raubt euch nicht gegenseitig den wichtigen Schlaf.
  • Diskutiert, wie lange das Badezimmer maximal blockiert werden darf. Dies gilt insbesondere für die Morgenstunden und falls ihr morgens alle etwa zur gleichen Zeit raus müsst.
  • Entscheidet gemeinsam, ob in der WG geraucht werden darf oder nicht - und falls ja, in welchen Bereichen der WG.
  • Redet darüber, unter welchen Umständen Besuch mit in die WG gebracht werden darf - und wann nicht.

Vermutlich wird jeder von euch behaupten, dass er oder sie rücksichtsvoll sein kann. Aber was bedeutet das denn nun im Kontext einer WG genau? Wie äussert sich Rücksichtsname? Wo liegt die Grenze zwischen Egoismus und Rücksichtslosigkeit? Reicht es, wenn du einmal pro Semester auch auf den Verzehr von Fleisch verzichtest, wenn deine neue Mitbewohnerin sich gerade vegan ernährt?

Weil dies nicht immer leicht zu erklären und zu verstehen ist, wollen wir dies anhand einiger Beispiele aufzeigen:

  • Lass niemals den Schlüssel zur Wohnungstüre von Innen stecken - schon gar nicht, wenn noch nicht alle Mitbewohner/innen zu Hause sind. Abschliessen kannst du darfst du die Türe natürlich, aber zieh den Schlüssel danach wieder ab. Sonst bist du dann selbst schuld, wenn du um 4 Uhr nachts aus dem Bett geklingelt wirst, weil deine Mitbewohner/innen nicht mehr rein kommen.
  • Kündige Besuch vorher an, egal ob es sich dabei um deine Eltern, Verwandte, Kommilitonen oder deine/n Lebensabschnittspartner/in handelt. Gibt deinen Mitbewohnern dabei grundsätzlich auch die Möglichkeit, dem Besuch zuzustimmen oder ihn auch abzulehnen, wenn es triftige Gründe dafür gibt. Gäste vorher anzukündigen ist auf jeden Fall ein Ausdruck der Wertschätzung gegenüber deinen Mitbewohnern/innen und in den meisten Fällen sind Besuche auch kein Problem.
  • Wenn du deine/n Partner/in öfter mal zu dir in die WG mitbringst und ihr ein paar ungestörte Stunden miteinander verbringen wollt, dann denk trotz des angestiegenen Hormonspiegels noch dran, dass du nicht alleine wohnst. Liebe deinen Nächsten - aber nicht zu laut!
  • Wenn du mal nach Hause in die WG kommst und siehst, dass deine Mitbewohnerin am Küchentisch gerade ein ernstes Gespräch mit ihrer Mutter führt, dann gibt ihr die nötige Privatsphäre und den nötigen Freiraum dafür. Die Küche ist zwar ein Gemeinschaftsraum, aber andererseits wärst du in einer solchen Situation auch froh, wenn du das Gespräch mit deiner Mutter ungestört beenden könntest.
  • Zeigt Rücksicht denen gegenüber, deren Zimmer näher an den Gemeinschaftsräumen liegen, indem ihr z.B. morgens die Küchentür schliesst.
  • Egal wie sauer ihr seid; knallt keine Türen zu, insbesondere spät nachts oder früh morgens. Versucht generell, so wenig vermeidbaren Lärm wie möglich zu erzeugen, der eure Mitbewohner/innen beim Schlafen, Lernen oder ganz allgemein in ihrer Ruhe stören könnte.
  • Wenn du gerne mit offenem Fenster schläfst, dann schliess deine Zimmertüre, damit nicht in der ganzen Wohnung Durchzug herrscht und ihr umsonst heizt. Schliesslich zahlt ihr die Heizungsrechnung alle zusammen.
  • Lass keine schmutzige Wäsche und keine Abfälle in der Wohnung liegen. Wenn du ab und zu mal einen persönlichen Gegenstand in den Gemeinschaftsräumen liegen lässt, wird in der Regel niemand etwas sagen - solange er schlussendlich den Weg zurück in dein Zimmer findet. Bei schmutziger Wäsche, Abfall oder sonstigen ekligen Angelegenheiten hört der Spass aber auf.

Wenn dich mal etwas stört, dann fordere aktiv Rücksichtnahme ein. Kommuniziere offen, wenn dir am Verhalten deiner Mitbewohner/innen etwas nicht passt - je früher du das machst, desto besser. Generell gilt: redet miteinander. Wer hat zur selben Zeit morgens Vorlesungen? Wann möchte wer und wie lange ins Bad? Schreibt jemand von euch seine oder ihre Prüfungen und braucht deshalb seine Ruhe? Miteinander zu reden ist das A und O in einer WG. Nur so wisst ihr, was jeder von euch braucht und könnt Rücksicht aufeinander nehmen.

Wichtig ist hierbei, dass du solche Dinge entweder direkt und persönlich mit dem betroffenen Mitbewohner bzw. der Mitbewohnerin ansprichst oder dies während eures nächsten «WG-Meetings» tust. Kleinkriege und passiv-aggressive Heftzettel machen alles nur noch schlimmer, also sei erwachsen. Manchmal ist es auch besser, rücksichtsvoll nachzugeben und mit gutem Beispiel voran zu gehen, in dem du zum Beispiel die Putzhandschuhe anziehst und halt selbst schrubbst. Denn deine Mitbewohner/innen verzeihen dir ja in der Regel auch deine eigenen kleinen Macken.